Und als der Pfingsttag gekommen war, waren sie alle beieinander an einem Ort. Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Sturm und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen. Und es erschienen ihnen Zungen, zerteilt und wie von Feuer, und setzten sich auf einen jeden von ihnen, und sie wurden alle erfüllt von dem Heiligen Geist und fingen an zu predigen in andern Sprachen, wie der Geist ihnen zu reden eingab. Es wohnten aber in Jerusalem Juden, die waren gottesfürchtige Männer aus allen Völkern unter dem Himmel. Als nun dieses Brausen geschah, kam die Menge zusammen und wurde verstört, denn ein jeder hörte sie in seiner eigenen Sprache reden. Sie entsetzten sich aber, verwunderten sich und sprachen: Siehe, sind nicht diese alle, die da reden, Galiläer? Wie hören wir sie denn ein jeder in seiner Muttersprache? … Wir hören sie in unsern Sprachen die großen Taten Gottes verkünden. Sie entsetzten sich aber alle und waren ratlos und sprachen einer zu dem andern: Was will das werden? Andere aber hatten ihren Spott und sprachen: Sie sind voll süßen Weins. (Apostelgeschichte 2,1-13)
Liebe Gemeinde, „Sie waren alle beieinander an einem Ort.“ Verzagt, mutlos: Wie kann Gott da sein, wenn Jesus Christus weg ist? Wenn wir ihn nicht sehen, nicht mit ihm reden können? Dann: das Pfingstwunder - mächtige Bilder, Begeisterung und Dynamik. Ein Himmelsbrausen, ein Geistessturm, der in die Jüngergemeinschaft fährt. Feuerzungen und Zungenrede.
Die Wirkung dieses Geschehens könnte wundersamer kaum sein. Es ist nicht zu fassen: Alle Menschen können einander verstehen, sich mitteilen; obwohl sie aus unterschiedlichen Kulturen stammen, verschiedenen Sprachen sprechen, an vielen Orten leben. Alle verstehen die Rede von den großen Taten Gottes. Da ist etwas, das sie alle anrührt, das sie alle verbindet. Und dann gibt es da wirklich für alle diesen einen Ort, an dem sie beieinander sind, obgleich sie an vielen Orten der Welt leben - verbunden durch den Heiligen Geist.
Das Pfingstwunder - es ist die Umkehrung dessen, was wir im Alten Testament lesen: Auch damals waren sie alle an einem Ort beieinander - in Babel, als sie den Turm bauen wollten, der bis in den Himmel hinauf reichen sollte. Damals, als die Menschen sein wollten wie Gott - und die Grenzen ihres Tuns zu spüren bekamen. Und dann? Zerstreut wurden sie. In Verwirrung entzweiten sie sich, jeder in seine eigene Sprache, Kultur; jeder in sein eigenes Leben. Sie gingen auf Abstand zueinander, an vielen Orten auf der Welt. Pfingsten kehrt diese Geschichte um: Verbunden, wo Abstand die Oberhand gewonnen hat. Verbunden mit allen Unterschieden; verbunden im Heiligen Geist: sind sie an einem Ort alle beieinander.
Das Pfingstwunder - es ist kaum zu fassen. Und - so wird geschrieben - die, die es erleben, fassen es auch kaum: Entsetzt ist man, ratlos: „Was soll das denn werden?“ Man überspielt das Geschehen mit einem Scherz: „Sie sind voll süßen Weins.“ Schon damals konnte man nicht allzu viel mit den Heiligen Geist anfangen. Heiliger Geist - was oder wer soll das sein? Ist es..., oder er? Ist er eine Kraft Gottes? Ist es Gott selbst? Nicht Vater im Himmel, nicht Jesus Christus, der Sohn - sondern Geist. Ein guter Geist? Eine Energie? Ein Kraftfeld? Und wozu dieser Geist? Was tut er? Hat er am Ende gar etwas mit mir zu tun? Und: will ich das überhaupt? Der Heilige Geist - er lässt sich nicht wirklich dingfest machen; ist nicht greifbar, scheint aber dennoch recht wirksam zu sein.
Heiliger Geist - das ist Jesu Antwort auf die Frage: Wo ist denn Gott in meinem Leben? Heiliger Geist - das ist die Antwort auf die Frage: Wer ist denn bei mir? Wer begleitet mich? Wer tröstet mich, wenn ich traurig bin? Wer steht mir bei? Heiliger Geist - das ist die Wirkkraft Gottes im Namen Christi. Das ist das in meinem Leben, das mehr Kraft in sich hat, als ich selbst in mir zur Verfügung habe. Das ist: Sich zusammenfinden, sich versöhnen. Das ist: mutig weitergehen, niemanden unterwegs verlieren und der Angst vor dem Tod ihre Grenze zu setzen. Heiliger Geist - das ist Gott in meinem Leben, das ist Gott mit mir. Und Pfingsten, das ist die Bitte um genau diesen Geist in unserer Welt, in unserem Leben. Pfingsten, das ist die Sehnsucht danach, dass Gott erfahrbar sein möge in meinem Leben - und im Miteinander mit den anderen, zu denen ich so oft auf Abstand gehe.
„Sie waren alle beieinander an einem Ort“ - so beginnt die Pfingstgeschichte. Und was, wenn sie nicht beieinander sein können an einem Ort? Wenn Abstand das Gebot der Stunde ist? Wenn sie sich nicht oder nur mit Mühe versammeln können an einem Ort? Zum Gottesdienst, zur Beerdigung, Trauung, Taufe, zum Posaunenchor und Kindergottesdienst? So wie bei uns? Was, wenn „Verbunden trotz Abstand“, „Miteinander trotz Trennung“, „mit Abstand das Beste...“ die Schlagwörter der Stunde sind? Was, wenn wir eben an vielen Orten sind - zu hause, im Garten, auf dem Balkon. Was verbindet? Was bringt uns zusammen an einen Ort?
Vielleicht ist es auch das: Gemeinsam ein Ziel vor Augen zu haben - wie die Kinder, die bei uns ab heute zur Dorfrallye eingeladen sind. Sie alle haben ein Ziel vor Augen: Möglichst alle Pfingsttauben an den Fenstern der Häuser aufzuspüren. An den vielen Orten bei uns im Dorf. Vielleicht ist es das, was verbindet: Gemeinsam ein Ziel vor Augen zu haben - den Heiligen Geist aufzuspüren am Fenster meines Hauses; ihm mein Leben zu öffnen. Und dann gibt es ihn da wirklich für uns alle: diesen einen Ort, an dem wir beieinander sind, obgleich noch immer Abstand angesagt ist - verbunden durch ihn, den Heiligen Geist.
Wochenspruch (Sacharja 4,6b) Es soll nicht durch Heer oder Kraft, sondern durch meinen Geist geschehen, spricht der HERR Zebaoth.
In unsere Fürbitte schließen wir ein: - für unsere Gemeinden, dass wir verbunden bleiben im Heiligen Geist
„Jesus lehrte seine Jünger und sprach: wenn ihr betet, sollt ihr nicht sein wie die Heuchler, die gern in den Synagogen und an den Straßenecken stehen und beten, um sich vor den Leuten zu zeigen. Wahrlich, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn schon gehabt. Wenn du aber betest, so geh in dein Kämmerlein und schließ die Tür zu und bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist; und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir's vergelten. Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht viel plappern wie die Heiden; denn sie meinen, sie werden erhört, wenn sie viele Worte machen. Darum sollt ihr ihnen nicht gleichen. Denn euer Vater weiß, was ihr bedürft, bevor ihr ihn bittet. Darum sollt ihr so beten: Unser Vater im Himmel! Dein Name werde geheiligt. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen. Denn wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, so wird euch euer himmlischer Vater auch vergeben. Wenn ihr aber den Menschen nicht vergebt, so wird euch euer Vater eure Verfehlungen auch nicht vergeben.“ (Matthäus 6,5-15)
Liebe Gemeinde, Rogate - Betet! So der Name des heutigen Sonntags. Betet! Und dass es gerade dieser Sonntag ist, an dem wir in der Kirche seit langer Zeit zusammen kommen, um wieder gemeinsam zu beten - wie passend. Wie passend diese Worte des heutigen Predigttextes - heute, jetzt für uns. Denn 55 Tage sind es nun schon, da uns das tägliche Abendgebet durch die Krise begleitet. Tag für Tag: Das verlängerte Läuten der Glocken um 19.30 Uhr. Von einigen weiß ich, dass sie mitbeten - jeden Tag. Einige Lichter habe ich gesehen - aus dem Pfarrhaus heraus; anfangs mehr, nun in der helleren Jahreszeit weniger. Und auch in unserer Familie ist es zum festen Termin geworden: 19.30 Uhr Abendgebet. Mittlerweile hat ein jeder von uns seinen Teil, den er liest - sogar die Kleinste mit ihren 2,5 Jahren: „Vater Himmel, du Heiligkeit Amen.“ - darf keinesfalls fehlen, sonst ist es um den Frieden geschehen.
Betet! Das Gebet - für einen Moment inne halten. Auf das Läuten der Glocken hören, vielleicht eine Kerze anzünden; sich besinnen, um zur Besinnung zu kommen. zu mir selbst kommen, damit Gott zu mir kommen kann. Das Gebet - eine Auszeit; ein Moment der Ruhe. Eine Auszeit vom Alltag; eine Auszeit auch von Corona; von all den Nachrichten, die da Tag für Tag, Stunde um Stunde auf uns einprasseln. Auszeit - genau das kann Gebet sein.
„Wenn ihr betet“ – so Jesus im Matthäusevangelium – „dann macht es nicht wie die Scheinheiligen“: Sie nehmen sich keine Zeit zum Beten. Sie kommen nicht zur Ruhe. Schnell sprechen sie ihre Worte einfach nur runter, damit sie besinnungslos weitereilen können. Wenn du aber betest, komm zur Besinnung, „geh in dein Zimmer und schließ die Tür zu. Bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist; und dein Vater, der in das Verborgene sieht,“ wird zu dir kommen.
Sammle dich. Hör auf dein Herz: Was bewegt dich gerade? Es kommt nicht auf die Menge der Worte an. Dein Gebet wird nicht besser, nicht eher erhört, nur weil du viel redest. Wenn du betest, nimm dir die Zeit dafür. Sei du ganz da - vor Gott. Und sei es nur für ein paar Minuten. Komm zu dir, damit Gott zu dir kommen kann.
Und wenn ich nicht beten kann? Wenn ich einfach keine Worte mehr finde? Dann kann ich mich in die Worte der Tradition hinein geben; in die Worte, die schon Milliarden Christen vor mir gesprochen haben, und bis heute weltweit Milliarden Christen sprechen. Die Worte, die Jesus Christus selbst gesprochen hat: „Vater unser im Himmel...“ Das Vaterunser - durch zwei Jahrtausende hindurch verbindet es Christen aller Konfessionen an verschiedenen Orten miteinander - wie eine große Gemeinschaft. Eine Gemeinschaft der Betenden, von der ich Teil werde, wenn ich diese Worte spreche.
Und wenn ich nicht einmal mehr diese Worte beten kann? Wenn ich nicht kann, weil Zweifel oder Ärger gerade größer sind? Weil sich der Ärger zwischen mich und das Gebet drängt? Weil die Zweifel mich nicht zu mir kommen lassen? Was, wenn ich nicht beten kann?
Liebe Gemeinde, diese Zeiten gibt es im Leben. Und vielleicht gab und gibt es sie auch gerade in den letzten Wochen. Dann darf ich gewiss sein, dass es da andere gibt, die beten; dass es da andere gibt, die für mich die Worte sprechen, die ich selbst nicht mehr finden, die ich selbst nicht mehr sagen kann. Wenn ich selbst nicht beten kann, dann darf ich gewiss sein, dass ich in die Gemeinschaft derer hineingenommen bin, die beten - auch für mich mit. Und auch dafür steht unser tägliches Abendgebet. Es gibt mir Trost, zu wissen, dass andere beten, wenn ich es gerade nicht kann. Gerade jetzt - in dieser Zeit der Krise.
Hineingenomen sein in die Gemeinschaft der Betenden - genau deshalb läuten auch während des Vaterunsers die Glocken. Alte und Kranke, all diejenigen, die zu Hause sind, sind dann eingebunden in diese Gemeinschaft. Denn mit dem Läuten der Glocken wissen sie: Jetzt wird in der Kirche das Vaterunser gebetet; und sie sind eingeladen, mitzubeten - auch wenn sie nicht dort sein können. Und genau deshalb haben sie weiterhin geläutet - unsere Glocken um 10.10 Uhr am Sonntag; unbeirrt, alle acht Sonntage hindurch, an denen wir eben nicht hier gemeinsam beten konnten; aber doch Sonntag für Sonntag mit hinein genommen wurden in das Gebet der Christenheit; dessen bin ich mir sicher.
Und deshalb, liebe Gemeinde: Betet! Betet weiter, in dieser Krise - und darüber hinaus. Betet für euch, für andere; Betet jeder für sich, betet miteinander in der Familie. Kommt im Gebet immer wieder zu euch, damit Gott zu uns kommt. Und lasst von dem nicht los, der nicht von euch los lässt.
Wochenspruch (Psalm 66,20) Gelobt sei Gott, der mein Gebet nicht verwirft noch seine Güte von mir wendet.
In unsere Fürbitte schließen wir ein: - die Jubelkonfirmanden, die an diesem Sonntag ihren Gottesdienst gefeiert hätten
Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden.“ (Jesaja 40,31)
Arbeiten in Garten und Haushalt sind erledigt, Kurzarbeit oder homeoffice verlängert. Familien mit Kindern sehen sich zuweilen in einer Zerreißprobe. Großeltern zieht es zu ihren Enkeln und umgekehrt. In den Altenheimen herrscht Einsamkeit. Und der Blick in den Kalender zeigt: Eine Reise, die ausfällt. Ein Fest, das nicht wie geplant stattfinden kann. Schon wieder. Immer noch.
dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden.“
Hoffnung geht mit ausharren einher. Wir Christen leben aus der Hoffnung und Erwartung - dass dies oft nicht leicht ist, wird in diesen Tagen vielleicht deutlicher denn je. Doch mag in diesen Tagen auch deutlicher denn je werden, dass ein jeder bei Gott neue Kraft schöpfen kann: dass ich nicht im Frust versinke; dass ich mir den Blick für das Schöne bewahre; dass ich zumindest mal für einen Moment in Gedanken alle Fesseln ablege, um „über den Dingen zu stehen“, „dass ich auffahre mit Flügeln wie ein Adler, dass ich weiterlaufe und nicht müde werde“.
Diese Hoffnung will ich mir nicht nehmen lassen am Sonntag Jubilate.