Wochenandacht

Predigt vom Pfingstsonntag
31. Mai – 6. Juni 2020
 
Liebe Gemeinde,
die Apostelgeschichte beginnt mit der Himmelfahrt Jesu. Dass er, Jesus nicht mehr da ist, leiblich mitten unter ihnen ist die wohl größte Herausforderung für den Glauben - damals wie heute. Im zweiten Kapitel der Apostelgeschichte folgt das Pfingstwunder:
 
Und als der Pfingsttag gekommen war, waren sie alle beieinander an einem Ort. Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Sturm und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen. Und es erschienen ihnen Zungen, zerteilt und wie von Feuer, und setzten sich auf einen jeden von ihnen, und sie wurden alle erfüllt von dem Heiligen Geist und fingen an zu predigen in andern Sprachen, wie der Geist ihnen zu reden eingab. Es wohnten aber in Jerusalem Juden, die waren gottesfürchtige Männer aus allen Völkern unter dem Himmel. Als nun dieses Brausen geschah, kam die Menge zusammen und wurde verstört, denn ein jeder hörte sie in seiner eigenen Sprache reden. Sie entsetzten sich aber, verwunderten sich und sprachen: Siehe, sind nicht diese alle, die da reden, Galiläer? Wie hören wir sie denn ein jeder in seiner Muttersprache? … Wir hören sie in unsern Sprachen die großen Taten Gottes verkünden. Sie entsetzten sich aber alle und waren ratlos und sprachen einer zu dem andern: Was will das werden? Andere aber hatten ihren Spott und sprachen: Sie sind voll süßen Weins. (Apostelgeschichte 2,1-13)
 
Liebe Gemeinde, „Sie waren alle beieinander an einem Ort.“ Verzagt, mutlos: Wie kann Gott da sein, wenn Jesus Christus weg ist? Wenn wir ihn nicht sehen, nicht mit ihm reden können? Dann: das Pfingstwunder - mächtige Bilder, Begeisterung und Dynamik. Ein Himmelsbrausen, ein Geistessturm, der in die Jüngergemeinschaft fährt. Feuerzungen und Zungenrede.
 
Die Wirkung dieses Geschehens könnte wundersamer kaum sein. Es ist nicht zu fassen: Alle Menschen können einander verstehen, sich mitteilen; obwohl sie aus unterschiedlichen Kulturen stammen, verschiedenen Sprachen sprechen, an vielen Orten leben. Alle verstehen die Rede von den großen Taten Gottes. Da ist etwas, das sie alle anrührt, das sie alle verbindet. Und dann gibt es da wirklich für alle diesen einen Ort, an dem sie beieinander sind, obgleich sie an vielen Orten der Welt leben - verbunden durch den Heiligen Geist.
 
Das Pfingstwunder - es ist die Umkehrung dessen, was wir im Alten Testament lesen: Auch damals waren sie alle an einem Ort beieinander - in Babel, als sie den Turm bauen wollten, der bis in den Himmel hinauf reichen sollte. Damals, als die Menschen sein wollten wie Gott - und die Grenzen ihres Tuns zu spüren bekamen. Und dann? Zerstreut wurden sie. In Verwirrung entzweiten sie sich, jeder in seine eigene Sprache, Kultur; jeder in sein eigenes Leben. Sie gingen auf Abstand zueinander, an vielen Orten auf der Welt. Pfingsten kehrt diese Geschichte um: Verbunden, wo Abstand die Oberhand gewonnen hat.  Verbunden mit allen Unterschieden; verbunden im Heiligen Geist: sind sie an einem Ort alle beieinander.
 
Das Pfingstwunder - es ist kaum zu fassen. Und - so wird geschrieben - die, die es erleben, fassen es auch kaum: Entsetzt ist man, ratlos: „Was soll das denn werden?“ Man überspielt das Geschehen mit einem Scherz: „Sie sind voll süßen Weins.“ Schon damals konnte man nicht allzu viel mit den Heiligen Geist anfangen. Heiliger Geist - was oder wer soll das sein? Ist es..., oder er? Ist er eine Kraft Gottes? Ist es Gott selbst? Nicht Vater im Himmel, nicht Jesus Christus, der Sohn - sondern Geist. Ein guter Geist? Eine Energie? Ein Kraftfeld? Und wozu dieser Geist? Was tut er? Hat er am Ende gar etwas mit mir zu tun? Und: will ich das überhaupt? Der Heilige Geist - er lässt sich nicht wirklich dingfest machen; ist nicht greifbar, scheint aber dennoch recht wirksam zu sein.
 
Heiliger Geist - das ist Jesu Antwort auf die Frage: Wo ist denn Gott in meinem Leben? Heiliger Geist - das ist die Antwort auf die Frage: Wer ist denn bei mir? Wer begleitet mich? Wer tröstet mich, wenn ich traurig bin? Wer steht mir bei? Heiliger Geist - das ist die Wirkkraft Gottes im Namen Christi. Das ist das in meinem Leben, das mehr Kraft in sich hat, als ich selbst in mir zur Verfügung habe. Das ist: Sich zusammenfinden, sich versöhnen. Das ist: mutig weitergehen, niemanden unterwegs verlieren und der Angst vor dem Tod ihre Grenze zu setzen. Heiliger Geist - das ist Gott in meinem Leben, das ist Gott mit mir. Und Pfingsten, das ist die Bitte um genau diesen Geist in unserer Welt, in unserem Leben. Pfingsten, das ist die Sehnsucht danach, dass Gott erfahrbar sein möge in meinem Leben - und im Miteinander mit den anderen, zu denen ich so oft auf Abstand gehe.
 
„Sie waren alle beieinander an einem Ort“ - so beginnt die Pfingstgeschichte. Und was, wenn sie nicht beieinander sein können an einem Ort? Wenn Abstand das Gebot der Stunde ist? Wenn sie sich nicht oder nur mit Mühe versammeln können an einem Ort? Zum Gottesdienst, zur Beerdigung, Trauung, Taufe, zum Posaunenchor und Kindergottesdienst? So wie bei uns? Was, wenn „Verbunden trotz Abstand“, „Miteinander trotz Trennung“, „mit Abstand das Beste...“ die Schlagwörter der Stunde sind? Was, wenn wir eben an vielen Orten sind - zu hause, im Garten, auf dem Balkon. Was verbindet? Was bringt uns zusammen an einen Ort?
 
Vielleicht ist es auch das: Gemeinsam ein Ziel vor Augen zu haben - wie die Kinder, die bei uns ab heute zur Dorfrallye eingeladen sind. Sie alle haben ein Ziel vor Augen: Möglichst alle Pfingsttauben an den Fenstern der Häuser aufzuspüren. An den vielen Orten bei uns im Dorf. Vielleicht ist es das, was verbindet: Gemeinsam ein Ziel vor Augen zu haben - den Heiligen Geist aufzuspüren am Fenster meines Hauses; ihm mein Leben zu öffnen. Und dann gibt es ihn da wirklich für uns alle: diesen einen Ort, an dem wir beieinander sind, obgleich noch immer Abstand angesagt ist - verbunden durch ihn, den Heiligen Geist.
 
Wochenspruch (Sacharja 4,6b) Es soll nicht durch Heer oder Kraft, sondern durch meinen Geist geschehen, spricht der HERR Zebaoth.
 
In unsere Fürbitte schließen wir ein: - für unsere Gemeinden, dass wir verbunden bleiben im Heiligen Geist
 
Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
 
 
 
Predigt vom 6. Sonntag nach Ostern – Exaudi (Höre mich!)
 24. – 30. Mai 2020
 
Liebe Gemeinde,
die Zeit dazwischen.
Ausgangsbeschränkungen und Kontaktverbote sind gelockert; einige Schüler gehen wieder zur Schule; Gottesdienste dürfen wieder gefeiert werden.
Aber wir sind noch immer nicht dort angekommen, wo wir hinwollen: auf Menschen wieder zugehen zu können, anstatt einen Schritt rückwärts zu machen; Kinder, die bedenkenlos miteinander spielen; Eine Umarmung, oder zur Begrüßung einfach mal wieder nur die Hand geben.
Und da sind noch immer unsere Konfirmanden und Jubelkonfirmanden, Traupaare und Taufeltern, die auf andere Zeiten und ihr Fest warten.
Die Zeit dazwischen: Das eine ist vorbei, aber das andere noch fern.
 
Diese Zwischenzeiten - es gibt sie immer wieder im Leben: Die Zeit zwischen der Entnahme einer Gewebeprobe und der Diagnose. Die Zeit zwischen der Kündigung an der einen Arbeitsstelle und der Zusage bei der anderen. Die Zeit zwischen dem Tod eines lieben Menschen und seiner Bestattung.
 
Die Zeit dazwischen: Leer kann es sich anfühlen dieses in-der-Luft-Hängen. Dieses Warten, das zermürbt. Diese trostlose Unsicherheit, die nach Halt sucht.
 
Die Zeit dazwischen - genau dafür steht der Sonntag heute.
Etwas verloren, wie die Jünger selbst, steht dieser Sonntag zwischen Christi Himmelfahrt und Pfingsten. Der auferstandene Christus - der, auf den sie ihre Hoffnung setzten, ist nicht mehr da; aufgefahren in den Himmel. Und der Geist, den Christus ihnen versprochen hat - der Geist ist noch nicht gekommen, Pfingsten steht noch aus. Die Jünger, sie leben in einer Zeit dazwischen: Ein Warten, das nach Trost sucht. Ein Erwarten, das sich nach Halt sehnt.
 
In diese Zeit hinein erklingt der Ruf, nach dem der heutige Sonntag seinen Namen hat: Exaudi! „HERR, höre meine Stimme, wenn ich rufe; sei mir gnädig und antworte mir!“ (Psalm 27,7)Exaudi! - Höre mich! Ich warte auf dich, Herr! Ich kann es nicht erwarten! Ich halte es bald nicht mehr aus! Höre mich doch, Herr! Ich warte darauf, dass du dich mir zuwendest! Dass du deinen heiligen Geist ausgießt! Höre mich, Herr!
Was gibt mir Halt in dieser Zeit? Wer mir Trost?
 
Die Zeit dazwischen. In solch eine Zeit dazwischen sprechen die Worte des heutigen Predigttextes. Es ist einer der ganz großen Verheißungstexte aus dem Buch des Propheten Jeremia:
 
Siehe, es kommt die Zeit, spricht der HERR, da will ich mit dem Hause Israel und mit dem Hause Juda einen neuen Bund schließen, nicht wie der Bund gewesen ist, den ich mit ihren Vätern schloss, als ich sie bei der Hand nahm, um sie aus Ägyptenland zu führen, mein Bund, den sie gebrochen haben, ob ich gleich ihr Herr war, spricht der HERR; sondern das soll der Bund sein, den ich mit dem Hause Israel schließen will nach dieser Zeit, spricht der HERR: Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben, und sie sollen mein Volk sein, und ich will ihr Gott sein. Und es wird keiner den andern noch ein Bruder den andern lehren und sagen: »Erkenne den HERRN«, denn sie sollen mich alle erkennen, beide, Klein und Groß, spricht der HERR; denn ich will ihnen ihre Missetat vergeben und ihrer Sünde nimmermehr gedenken.“ (Jeremia 31,31-34)
 
Liebe Gemeinde,
Was gibt mir Halt in dieser Zeit? Wer mir Trost?
Wenn Altes in die Brüche gegangen ist? Wenn Altes nicht mehr trägt? Was gibt mir Halt, wenn das Neue, das Erhoffte noch fern ist? Was hält mich, wenn ich in der Luft hänge, in der Zeit dazwischen? Wenn ich rutsche und falle - bodenlos. Wenn ich diese Unsicherheit einfach nicht mehr aushalte? Wenn er mit entgleitet, der Gott an meiner Seite?
 
Ich will mein Gesetz in dein Herz geben“, spricht der Herr, „und mich in deinen Sinn schreiben. Und du sollst mein Mensch sein, und ich will dein Gott sein.“
 
Ich schreibe mich selbst, ich schreibe meine Lebensweisungen in dein Herz ein. Ich komme zu dir - in dein Herz. Näher geht es nicht.
Ich gehe mit dir eine Beziehung ein, die nie und nimmer zerbrechen wird; wohin dich das Leben auch führen mag - in welche Zwischenzeiten auch immer. Ich bin schon da: in deinem Herzen.
Ich halte zu dir und gebe dir Halt, wenn du in der Luft hängst, wenn du den Boden unter den Füßen verlierst. Da ist Hoffnung und Zukunft.
Ich kann dir nicht mehr verloren gehen, spricht der Herr. Meine Nähe ist gewiss. Sie ist zu unser beider Herzenssache geworden.
 
Und da ist dann anstelle einer Reihe von Geboten, von Weisungen, die zu befolgen sind - so etwas wie eine innere Gestimmtheit, die von Herzen kommt: ich mit meinem Leben vor Gott, dem Herrn. Und Gott in meinem Leben.
Da lasse ich mich in meinem Innersten ergreifen von seiner Gegenwart. Ich verinnerliche Gott selbst, um ihn in meinem Leben wieder nach außen dringen zu lassen.
 
Ich will mein Gesetz in dein Herz geben“, spricht der Herr, „und mich in deinen Sinn schreiben. Und du sollst mein Kind sein, und ich will dein Gott sein.“
 
Liebe Gemeinde,
Die Zeit dazwischen: Zwischen Christi Himmelfahrt und Pfingsten - wie es die Jünger erlebten.
Die Zeit dazwischen: Zwischen Lockerungen und fern menschlicher Nähe - wie wir es gerade erleben. Die Zeit dazwischen, die Zeit des Wartens.
 
Was gibt mir Halt? Wer mir Trost?
Da ist ein Gott, der mir entgegenkommt - ganz nah, bis in mein Herz. Auf dass mich seine Gegenwart erstrahlen lässt - in Vertrauen und Hoffnung.
Was ich dafür tun muss? Nichts.
Mich einfach nur von seiner Gegenwart durchfluten lassen.
 
Wochenspruch (Johannes 12,32)
Christus spricht: Wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen.
 
In unsere Fürbitte schließen wir ein:
- das Kind, das getauft wurde
- die aus unserer Gemeinde verstorben ist
- die Menschen in Indien und Bangladesh, die wegen des Zyklons vor den Trümmern ihrer Existenz stehen
 
Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
 
 
Predigt vom 5. Sonntag nach Ostern – Rogate (Bittet! Betet!)
 17. – 23. Mai 2020
 

„Jesus lehrte seine Jünger und sprach: wenn ihr betet, sollt ihr nicht sein wie die Heuchler, die gern in den Synagogen und an den Straßenecken stehen und beten, um sich vor den Leuten zu zeigen. Wahrlich, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn schon gehabt. Wenn du aber betest, so geh in dein Kämmerlein und schließ die Tür zu und bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist; und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir's vergelten. Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht viel plappern wie die Heiden; denn sie meinen, sie werden erhört, wenn sie viele Worte machen. Darum sollt ihr ihnen nicht gleichen. Denn euer Vater weiß, was ihr bedürft, bevor ihr ihn bittet. Darum sollt ihr so beten: Unser Vater im Himmel! Dein Name werde geheiligt. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen. Denn wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, so wird euch euer himmlischer Vater auch vergeben. Wenn ihr aber den Menschen nicht vergebt, so wird euch euer Vater eure Verfehlungen auch nicht vergeben.“ (Matthäus 6,5-15)
 
Liebe Gemeinde, Rogate - Betet! So der Name des heutigen Sonntags. Betet! Und dass es gerade dieser Sonntag ist, an dem wir in der Kirche seit langer Zeit zusammen kommen, um wieder gemeinsam zu beten - wie passend. Wie passend diese Worte des heutigen Predigttextes - heute, jetzt für uns. Denn 55 Tage sind es nun schon, da uns das tägliche Abendgebet durch die Krise begleitet. Tag für Tag: Das verlängerte Läuten der Glocken um 19.30 Uhr. Von einigen weiß ich, dass sie mitbeten - jeden Tag. Einige Lichter habe ich gesehen - aus dem Pfarrhaus heraus; anfangs mehr, nun in der helleren Jahreszeit weniger. Und auch in unserer Familie ist es zum festen Termin geworden: 19.30 Uhr Abendgebet. Mittlerweile hat ein jeder von uns seinen Teil, den er liest - sogar die Kleinste mit ihren 2,5 Jahren: „Vater Himmel, du Heiligkeit Amen.“ - darf keinesfalls fehlen, sonst ist es um den Frieden geschehen.
 
Betet! Das Gebet - für einen Moment inne halten. Auf das Läuten der Glocken hören, vielleicht eine Kerze anzünden; sich besinnen, um zur Besinnung zu kommen. zu mir selbst kommen, damit Gott zu mir kommen kann. Das Gebet - eine Auszeit; ein Moment der Ruhe. Eine Auszeit vom Alltag; eine Auszeit auch von Corona; von all den Nachrichten, die da Tag für Tag, Stunde um Stunde auf uns einprasseln. Auszeit - genau das kann Gebet sein.
 
 „Wenn ihr betet“ – so Jesus im Matthäusevangelium – „dann macht es nicht wie die Scheinheiligen“: Sie nehmen sich keine Zeit zum Beten. Sie kommen nicht zur Ruhe. Schnell sprechen sie ihre Worte einfach nur runter, damit sie besinnungslos weitereilen können. Wenn du aber betest, komm zur Besinnung, „geh in dein Zimmer und schließ die Tür zu. Bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist; und dein Vater, der in das Verborgene sieht,“ wird zu dir kommen.
Sammle dich. Hör auf dein Herz: Was bewegt dich gerade? Es kommt nicht auf die Menge der Worte an. Dein Gebet wird nicht besser, nicht eher erhört, nur weil du viel redest. Wenn du betest, nimm dir die Zeit dafür. Sei du ganz da - vor Gott. Und sei es nur für ein paar Minuten. Komm zu dir, damit Gott zu dir kommen kann.
 
Und wenn ich nicht beten kann? Wenn ich einfach keine Worte mehr finde? Dann kann ich mich in die Worte der Tradition hinein geben; in die Worte, die schon Milliarden Christen vor mir gesprochen haben, und bis heute weltweit Milliarden Christen sprechen. Die Worte, die Jesus Christus selbst gesprochen hat: „Vater unser im Himmel...“ Das Vaterunser - durch zwei Jahrtausende hindurch verbindet es Christen aller Konfessionen an verschiedenen Orten miteinander - wie eine große Gemeinschaft. Eine Gemeinschaft der Betenden, von der ich Teil werde, wenn ich diese Worte spreche.
 
Und wenn ich nicht einmal mehr diese Worte beten kann? Wenn ich nicht kann, weil Zweifel oder Ärger gerade größer sind? Weil sich der Ärger zwischen mich und das Gebet drängt? Weil die Zweifel mich nicht zu mir kommen lassen? Was, wenn ich nicht beten kann?
 
Liebe Gemeinde, diese Zeiten gibt es im Leben. Und vielleicht gab und gibt es sie auch gerade in den letzten Wochen. Dann darf ich gewiss sein, dass es da andere gibt, die beten; dass es da andere gibt, die für mich die Worte sprechen, die ich selbst nicht mehr finden, die ich selbst nicht mehr sagen kann. Wenn ich selbst nicht beten kann, dann darf ich gewiss sein, dass ich in die Gemeinschaft derer hineingenommen bin, die beten - auch für mich mit. Und auch dafür steht unser tägliches Abendgebet. Es gibt mir Trost, zu wissen, dass andere beten, wenn ich es gerade nicht kann. Gerade jetzt - in dieser Zeit der Krise.
 
Hineingenomen sein in die Gemeinschaft der Betenden - genau deshalb läuten auch während des Vaterunsers die Glocken. Alte und Kranke, all diejenigen, die zu Hause sind, sind dann eingebunden in diese Gemeinschaft. Denn mit dem Läuten der Glocken wissen sie: Jetzt wird in der Kirche das Vaterunser gebetet; und sie sind eingeladen, mitzubeten - auch wenn sie nicht dort sein können. Und genau deshalb haben sie weiterhin geläutet - unsere Glocken um 10.10 Uhr am Sonntag; unbeirrt, alle acht Sonntage hindurch, an denen wir eben nicht hier gemeinsam beten konnten; aber doch Sonntag für Sonntag mit hinein genommen wurden in das Gebet der Christenheit; dessen bin ich mir sicher.
 
Und deshalb, liebe Gemeinde: Betet! Betet weiter, in dieser Krise - und darüber hinaus. Betet für euch, für andere; Betet jeder für sich, betet miteinander in der Familie. Kommt im Gebet immer wieder zu euch, damit Gott zu uns kommt. Und lasst von dem nicht los, der nicht von euch los lässt.
 
Wochenspruch (Psalm 66,20) Gelobt sei Gott, der mein Gebet nicht verwirft noch seine Güte von mir wendet.
 
In unsere Fürbitte schließen wir ein: - die Jubelkonfirmanden, die an diesem Sonntag ihren Gottesdienst gefeiert hätten
 
Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

 
 
 
 Andacht für die Woche: 3. Sonntag nach Ostern – Kantate (Singet!)
 10. – 16. Mai 2020
 
Singet dem HERRN ein neues Lied, denn er tut Wunder.“ (Psalm 98,1)
 
Liebe Gemeinde,
heute ist der Sonntag der Lieder und der Musik: Kantate! Singet! Es ist der Sonntag, der ganz auf das Singen gestimmt ist. Dieser Sonntag ist der Tag der Kirchenmusik. Traditionell werden an diesem Sonntag die neuen Kirchenmusikdirektoren ausgezeichnet. In vielen Gemeinden spielen Posaunenchöre, singen Kantoreien, und die Gottesdienstbesucher stimmen in das Lob Gottes in dieser nachösterlichen Zeit ein: „Du meine Seele singe, wohlauf und singe schön...“ (EG 302). Auch in unserer Gemeinde singen die Kindergottesdienst-Kinder ein Lied in der Kirche - nur dieses Jahr ist alles anders. Denn dieses Jahr ist Corona.
 
Heute wird nicht gesungen. Heute wird geredet: Über Aerosolwolken, die beim Singen und Spielen von Blasinstrumenten besonders stark ausgestoßen werden. Deshalb können musikalische Veranstaltungen erst einmal nicht stattfinden, Chöre und Posaunenchöre nicht proben, und wenn wir uns wieder zum Gottesdienst in den Kirchen treffen, ist lediglich „reduzierter Gemeindegesang mit Mund-Nasen-Bedeckung möglich“.
 
Martin Luther schreibt: Musik ist eine „Gottesgabe“. Sie ist der „beste Trost für einen verstörten Menschen“. Sie macht, so fährt er fort, Menschen „gelinder, sanftmütiger, sittsamer und vernünftiger“. Musik berührt die Seele.
Gesungen wird nicht nur über Erlebtes in der Vergangenheit. Wir Christen singen auch von dem, was wir uns erhoffen. Lieder des Glaubens halten nicht nur Erinnerungen fest, sie sind auch Zukunftsmusik.
Singen ist ein Geschehen, das viele Menschen emotional bewegt. In der eigenen Stimme erklingt etwas von dem, was die eigene Person ausmacht. Im gemeinsamen Singen sind wir mit anderen verbunden. Im Gesang drücken sich Gefühle aus. Auch kann ich mich in eine Empfindung, in eine Lebenshaltung „hineinsingen“, indem ich ins Lob Gottes einstimme, ein Hoffnungslied mitsinge oder mitsumme. Singen vertreibt die Dunkelheit, es entängstigt die Seele. Im Singen drückt sich mehr aus als im Sprechen.
 
Singet dem HERRN ein neues Lied, denn er tut Wunder.“
Ein Wunder, das könnten wir jetzt wirklich gut gebrauchen. Ein Wunder, das unser Leben aus den Fängen der Krise befreit. Ein Wunder, das uns „normal“ leben lässt. Ein Wunder, das uns wieder gemeinsam singen und Musik machen lässt.
 
Bis dahin lasst uns weiter singen - jeder für sich zuhause, allein oder mit der Familie. Lasst uns Hoffnungslieder anstimmen - mal mehr, mal weniger schief. Bis dahin lasst uns weiter am Sonntag auf die Posaunenklänge im Dorf hören - mal mehr, mal weniger im gleichen Takt mit den anderen; jeder für sich und doch verbunden. Denn das ist jene Hoffnungsmusik, die „entängstigt“ bis wir - ohne an Aerosole zu denken- , wieder vollmundig gemeinsam singen und unseren Posaunenchören zuhören können.
(aufgenommen ist ein Text zum Sonntag Kantate aus: Perikopenbuch, hg. v.d. Liturgischen Konferenz für die EKD, Bielefeld/Leipzig 20192, S. 281f)
 
Wochenspruch (Psalm 98,1)
Singet dem HERRN ein neues Lied, denn er tut Wunder.
 
In unsere Fürbitte schließen wir ein:
- alle Mitglieder von Vokal- und Posaunenchöre, die sich gerade nicht treffen können
- alle Pfarrer, die sich um Konzepte zur Wiederaufnahme von Gottesdiensten mühen
 
Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
 
 
 Andacht für die Woche: 3. Sonntag nach Ostern – Jubilate (Jubelt!)
 3. April – 9. Mai 2020
Foto: berggeist007/pixelio.de
 
Die auf den HERRN harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler,
dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden.“ (Jesaja 40,31)
 
Liebe Gemeinde,
Jubilate! Jubelt! So heißt dieser Sonntag.
Den wenigsten ist wohl gerade zum Jubeln zumute. Auch wenn es jeder geahnt haben mag, dass der Weg hin zur Normalität noch eine Weile dauert - die Zeit wird lang.
Arbeiten in Garten und Haushalt sind erledigt, Kurzarbeit oder homeoffice verlängert. Familien mit Kindern sehen sich zuweilen in einer Zerreißprobe. Großeltern zieht es zu ihren Enkeln und umgekehrt. In den Altenheimen herrscht Einsamkeit. Und der Blick in den Kalender zeigt: Eine Reise, die ausfällt. Ein Fest, das nicht wie geplant stattfinden kann. Schon wieder. Immer noch.
Mag die Zwangspause zu Beginn vielleicht noch als willkommen empfunden worden sein, nach sieben Wochen ist eher Frust zu spüren. Und ein jeder wird bereits sein eigenes Tief durchlebt haben: Irgendetwas zwischen Nervosität, Trauer, Angst und Wut. Aber Freude ist sicherlich gerade nicht das bestimmende Gefühl.
Ich mag nicht mehr. Ich kann nicht mehr. Wie lang soll das noch so gehen? Eine gewisse Müdigkeit hat sich eingeschlichen, eine Coronakrisen-Müdigkeit.
 
Die auf den HERRN harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler,
dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden.“
 
Diese Worte stehen am Anfang des sog. Trostbuches für Israel. Trost - damals wie heute ist er nötig. Trost, richtiger Trost, kein Vertrösten. Trost - das bedeutet: Neue Kraft, neuen Mut zu schöpfen; Stärkung erfahren, die wirklich weiter trägt; Aufwind zu spüren; den Blick zu weiten und heilsam die Perspektive zu wechseln.
Dazu kann der heutige Sonntag Jubilate ein Anstoß sein: Von Ostern her blickt er auf Gottes Schöpfung und darauf, dass Gott angefangen hat, seine Welt neu zu machen - dass sie wieder sehr gut werde. Das ist die Perspektive der Osterfreunde und der Hoffnung.
 
Die auf den HERRN harren, kriegen neue Kraft.“
Hoffnung geht mit ausharren einher. Wir Christen leben aus der Hoffnung und Erwartung - dass dies oft nicht leicht ist, wird in diesen Tagen vielleicht deutlicher denn je. Doch mag in diesen Tagen auch deutlicher denn je werden, dass ein jeder bei Gott neue Kraft schöpfen kann: dass ich nicht im Frust versinke; dass ich mir den Blick für das Schöne bewahre; dass ich zumindest mal für
einen Moment in Gedanken alle Fesseln ablege, um „über den Dingen zu stehen“, „dass ich auffahre mit Flügeln wie ein Adler, dass ich weiterlaufe und nicht müde werde“.
Diese Hoffnung will ich mir nicht nehmen lassen am Sonntag Jubilate.
 
Wochenspruch (2. Korinther 5,17)
Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.
 
In unsere Fürbitte schließen wir ein:
- alle Familien, denen die Kraft ausgeht
- alle Schüler, die ihre Freunde vermissen
- die neuen Konfirmanden und Konfirmandinnen des Albachtals, die am Freitag gemeinsam mit einem Jugendgottesdienst ihren Konfikurs begonnen hätten
 
Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
 
 
 
Andacht für die Woche: 2. Sonntag nach Ostern – Miserikordias Domini (Hirtensonntag)
 26. April – 2. Mai 2020